Episoden
Eine Frage an ihn
Es geschah an einem Tag im Oktober 1955, als er die Erste Pyongyanger Mittelschule besuchte.
In einer Unterrichtsstunde zur Weltgeschichte behandelte der Lehrer die Kriegsgeschichte eines Landes im Altertum und sagte dabei, der Krieg sei eine Kunst.
Kaum war die Erläuterung des Lehrers zu Ende, so stand ein Schüler plötzlich auf und richtete an ihn die Frage: „Was bedeutet, Herr Lehrer, der Satz – der Krieg ist eine Kunst?“
Der Lehrer konnte darauf nicht antworten und sprach stattdessen zweideutig, er werde überlegen und in der nächsten Stunde die Frage beantworten.
In der Zwischenpause baten Schüler wie immer Kim Jong Il um eine Antwort.
Der Befragte gab ihnen zuerst den Überblick über das Wesen der Sinfonie, verglich sie mit dem Krieg und sprach:
Die Sinfonie ist eine Kunstgattung, in der hochfeine Organisiertheit, Präzision, Harmonie, größte Energie und Anspannung zusammengefasst sind. Im Krieg wird alles – das personelle und materielle Potenzial sowie geistige Kräfte – massiv zusammengefügt, werden überdies eindeutige und präzis aufeinander abgestimmte Strategie und Taktik erforderlich, müssen alle wissenschaftlich-technischen Ergebnisse mobilisiert werden. Hierbei kommt es darauf an, dass alles lückenlos, spinnwebfein und genau ineinandergreift. Falls davon ein Kettenglied wegläuft, könnte möglicherweise der Krieg verlorengehen. Gerade in diesem Sinne wird der Krieg als eine Kunst bezeichnet und davon rührt das Wort militärische Kunst her. …
Im Anschluss daran hob er hervor, dass Kim Il Sung bei seiner Führung des bewaffneten antijapanischen Kampfes und des Vaterländischen Befreiungskrieges (des Koreakrieges in den 1950er Jahren) die originelle militärische Strategie und Kriegsmethoden geschaffen hatte, dass diese eine herausragende militärische Kunst ist, die die Kriegsgeschichte noch nie zuvor gekannt hatte.
Im Klassenzimmer klatschten alle Beifall.
„Das ist doch wirklich seltsam“
Eines Tages im Mai 2000 besprach Kim Jong Il mit Blick auf die Felder eines genossenschaftlichen Landwirtschaftsbetriebes im Bezirk Nord-Phyongan, der im Nordwesten Koreas liegt, mit Funktionären die landwirtschaftliche Arbeit, sah dabei zufälligerweise einen am Wegrand stehenden Traktor und schritt auf ihn zu.
Er sagte zum Traktoristen, der sich höflich vor ihm verneigte, er solle mal den Motor einschalten.
„Verstanden.“
Der Traktorist antwortete klar und deutlich, öffnete die linke Tür, stieg in die Fahrerkabine ein und ließ den Motor an. Das Geräusch von hell dröhnendem Motor verbreitete sich auf der Flur.
Kim Jong Il schätzte den Motorzustand ab, gab sich damit zufrieden und trat näher an die rechte Tür.
Der Traktorist verlor die Fassung, denn sie war defekt.
,Was ist zu tun! Sie ist defekt‘ dachte er in Panik.
Er biss die Lippen zusammen.
Kim Jong Il, der an der rechten Tür angelangt war, nahm den Türgriff in die Hand und zog daran.
In diesem Augenblick geschah Außergewöhnliches. Die Tür, die bis zu dieser Stunde blockiert war, öffnete sich problemlos.
Der Traktorist schaute mit fragendem Blick zu.
Kim Jong Il sah eine kurze Weile in das Innere des Traktors, schloss die Tür wieder und sagte, dass das Fahrzeug bestens gepflegt werden müsse.
Nachdem er die Rückreise angetreten war, kamen die Menschen am Traktor zusammen. Sie versuchten jeder für sich, die Tür aufzumachen, davon überzeugt, dass sie nun leichtgängig wäre, da sie von ihm geöffnet worden war.
Aber die Tür ging nicht auf, niemand wusste, warum. Wie sehr jeder auch Kraft aufwandte, niemand konnte die Tür öffnen. Erst mithilfe von verschiedenartigen Werkzeugen konnte sie aufgemacht werden.
„Das ist doch wirklich seltsam.“
Die Anwesenden wiegten ihre Köpfe und riefen dann Jubelrufe:
„Ja, auch der stumme Traktor hat die Geistesgröße erkannt!“
Der Fahrgast eines Bummelzuges
Es war eines Tages im Juni 1975.
Kim Jong Il, der die Nachricht darüber erhalten hatte, dass sich Präsident Kim Il Sung während seines Auslandsbesuchs Sorgen um den Ackerbau des Landes gemacht hat, begab sich in Gebiete an der Westmeerküste und machte sich bis spät in die Nacht hinein mit den realen Verhältnissen des Ackerbaus vertraut. Dann forderte er Funktionäre auf, mit ihm nun nach dem Bezirk Kangwon an der Ostmeerküste zu gehen.
Seine Aufforderung brachte die Erwartung der Funktionäre, die angenommen hatten, er würde nach Pyongyang fahren, völlig in Verwirrung.
Sie baten ihn darum, wenn es schon sein müsse, erst am nächsten Tag aufzubrechen, da die Nacht tief vorgerückt sei.
Aber er sagte: Präsident Kim Il Sung hält sich im weit entfernten Ausland auf und macht sich Sorgen um die Ackerbaulage im Vaterland. Wir können uns doch nicht erlauben, ruhig zu schlafen und gemächlich zu arbeiten. Wir müssen uns noch in dieser Nacht in den Bezirk Kangwon begeben und uns über die landwirtschaftliche Lage an der Ostmeerküste informieren.
Die Funktionäre sprachen zu ihm, dass sie sogleich Personenwagen in Bereitschaft halten werden.
Darauf bemerkte er, dass er mit dem Zug fahren und die Chauffeure schlafen lassen werde.
Die Funktionäre wollten in Eile einen Sonderzug organisieren.
Er hielt sie davon ab unter dem Hinweis, es sei nicht notwendig, einen Sonderzug zu organisieren. Die Eisenbahn müsse den einmal aufgestellten Fahrplan genaustens einhalten. Bildete man in dieser Nacht einen Sonderzug, bereite man dem Eisenbahnverkehr Hindernisse.
Und er fragte sie, um wie viel Uhr der Zug nach Wonsan abfährt.
Als ein Funktionär ihm die Abfahrtzeit des Zuges sagte, meinte er, es sei schon geklärt, und sprach:
„Da auch ich ein Funktionär bin, der für das Volk arbeitet, werde ich diesen gewöhnlichen Bummelzug fahren, den das Volk benutzt.“
Dann begab er sich zum Bahnhof, wartete auf den Zug und stieg in ihn ein.
Einige Tage später erhielt ein verantwortlicher Funktionär des Bezirkes Süd-Hamgyong die Nachricht, dass Kim Jong Il, der den Bezirk Kangwon vor Ort angeleitet hat, an einem Bahnhof seines Bezirkes vorbeifahren werde.
Dieser Funktionär fuhr mit hoher Geschwindigkeit zum Bahnhof und betrat den Bahnsteig. Da fuhr der Zug mit schrillem Pfiff in den Bahnhof ein.
,Beinahe wäre ich verspätet angekommen!‘
Er ging dem einfahrenden Zug entgegen und blieb wie genagelt stehen, war es doch nicht ein Sonderzug, sondern ein normaler Personenzug.
Vielleicht habe ich mich versehen, dachte er und sah ihn noch einmal an. Es war zweifelsohne ein Bummelzug.
,Der Sonderzug kommt hinterher?…‘
In diesem Augenblick hörte er die ihm bekannte durchdringende Stimme:
„Genosse Verantwortlicher Parteisekretär, oh, Sie sind schon hier.“
Kim Jong Il lachte hell in einem Wagen dieses Zuges.
Er unterschied sich in äußerer Aufmachung wie auch im Gebaren nicht von anderen Fahrgästen des Zuges. Der Funktionär hatte zwar dessen Schlichtheit und Bescheidenheit direkt gesehen und auch vielmals davon gehört, sich aber nicht vorstellen können, dass er so einfach mit anderen Reisenden den Bummelzug fuhr und den Weg der Vor-Ort-Anleitungen fortsetzte. Ihm wurde ganz warm ums Herz, und Tränen trübten ihm den Blick.
Kim Jong Il sagte zu ihm, dass er schon einige Tage dabei sei, sich nach der landwirtschaftlichen Lage des Landes zu erkundigen, brachte den Stand der Auspflanzung der Reissetzlinge im Bezirk Süd-Hamgyong in Erfahrung und stellte die Aufgabe, das Jäten zu beschleunigen und die Düngerproduktion erheblich zu steigern.
Dann nahm er wieder in einem einfachen Wagenabteil des Bummelzuges Platz.
Der Zug fuhr ab.
Aber es gab nicht viele Menschen, die wussten, dass er als ein einfacher Mensch, als Fahrgast eines gewöhnlichen Personenzuges diese Inspektionsreise unternahm.
Für drei Kumpel
Eines Tages im August 1975 erfuhr Kim Jong Il davon, dass drei Kumpel infolge eines Unfalls in einem Kohlenbergwerk im nördlichen Gebiet des Landes dem Tod nahe waren. Ihr Krankheitszustand war überaus aussichtslos – Verbrennungen 3. Grades am ganzen Körper, völliges Koma, Rehabilitation ausgeschlossen…
An jenem Abend rief er einen Mitarbeiter zu sich.
„Wissen Sie darüber Bescheid, dass die persönliche Sicherheit der Kumpel des Jugend-Kohlenbergwerkes Sanghwa in Gefahr ist?“
„Ja. Davon wurde mir berichtet.“
„Warum berichteten Sie mir nicht unverzüglich?“
„Weil ich Ihnen nicht Sorge bereiten wollte…“
„Sind Sie denn nicht bei Sinnen? Es geht doch nicht darum, ob ich mir Sorgen mache oder nicht, schließlich ist das Leben der Bergarbeiter in Gefahr. Gibt es denn überhaupt eine wichtigere Sache, als das Leben der Kumpel zu retten?“
„Ich habe einen Fehler begangen.“
„Welche Maßnahmen haben Sie getroffen?“
„Ich rief das betreffende Bezirksparteikomitee telefonisch an und wies an, einschneidende Maßnahmen einzuleiten.“
Erregt schwieg er eine Zeit lang, wies ihn dann hart zurecht:
Ich sagte Ihnen mehrmals mit Nachdruck, dass man ein warmes Herz gegenüber den Menschen besitzen muss. Aber ich weiß nicht, wann Sie zur Besinnung kommen werden. Die Rettung der Kumpel duldet keinen Zeitverlust. Aber Sie haben lediglich dem Bezirksparteikomitee und dem Ministerium für Gesundheitswesen angeordnet, Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Das Volk nennt unsere Partei mütterliche Partei und folgt ihr. Haben Sie denn kein bisschen mütterliches Gemüt, oder?!…
Der Funktionär vermochte nicht den Kopf zu heben.
Kim Jong Il wies an, auf der Stelle Notmaßnahmen zur schnellen Rettung der Kumpel zu treffen, wozu befähigte Ärzte und alle verfügbaren Medikamente eingesetzt und trotz tiefer Nacht ein Flugzeug gestartet werden sollte.
„Verstanden!“
Aber wegen wütender Regenfälle und Stürme konnte keine Zivilmaschine starten.
Kim Jong Il riet dem Funktionär, sofort ein Militärflugzeug starten zu lassen.
Es flog gen Himmel.
Als ihm hernach berichtet wurde, dass die Bergarbeiter wegen nicht zurückgehender Schwellungen große Schmerzen litten, sagte er mit besorgter Stimme:
Die Körper der Kumpel sollen angeschwollen sein. Dagegen sollen Wassermelonen und Bier gut wirken. An die verletzten Kumpel des Jugend-Kohlenbergwerkes Sanghwa müssen neben Medikamenten Wassermelonen und Bier geschickt werden, und zwar noch heute mit einem Hubschrauber…
Dank der von ihm eingeleiteten Sofortmaßnahmen befanden sich die Verunglückten auf dem Weg der Genesung.
Kim Jong Il wies darauf hin, sie in ein großes, mit modernen medizinischen Geräten versehenes Krankenhaus einzuliefern und intensiv zu behandeln, um sie völlig gesunden zu lassen, und ordnete an, noch einmal einen Hubschrauber aufsteigen zu lassen.
Auch im tiefen Stollen
Es war der 1. Juli 1975.
Gleich nach dem Aussteigen aus dem Zug kam er mit den dortigen Funktionären zusammen und erkundigte sich nach dem realen Zustand des Bergwerkes, besuchte dann den Aufbereitungsbetrieb, spornte dessen Arbeiter an und ging auf einen Stollen zu. Die Funktionäre dieses Bergwerkes, seine Begleiter und die Mitglieder eines sich gerade vor Ort aufhaltenden Agitprop-Ensembles baten ihn inständig darum, nicht in den Stollen hineinzugehen, und stellten sich vor ihn.
Mit Blick in die Runde bemerkte er: Warum soll ich nicht in den Stollen gehen, zumal Kim Il Sung ihn persönlich besichtigt hat und dort die Kumpel arbeiten. Es macht mir nichts aus. Warum sind wir hier gekommen, wenn wir nicht in den Stollen einfahren. Wir müssen alle Orte, wo unsere wertvollen Arbeiter werken, aufsuchen, mögen sie auch entfernt liegen und beschwerlich sein. Wie sehr wird es den Bergarbeitern leid tun, wenn sie hören, dass wir nicht in den Stollen hineingegangen, sondern umgekehrt sind. Machen Sie sich bitte keine Sorgen um mich, und fahren wir ein. … Dann stieg er mit einer einfachen Sicherheitsmütze aus Buschklee auf dem Kopf in den Grubenzug ein, den die Bergarbeiter benutzen, und fuhr in den Stollen hinein.
Als der Grubenzug mit ihm an Bord im Stollen ankam, liefen die Kumpel mit Jubel- und Hurrarufen auf ihn zu, nahezu auf die Füße fallend. Sie alle machen sich viel Mühe, sagte er und drückte ihre Hände wie in aller Vertrautheit.
Ein alter Bergarbeiter trat vor und sagte: „Oh. Sie kommen hier durch den gefährlichen Tunnelweg…“, vermochte keine weiteren Worte über die Lippen zu bringen und zuckte seine Schultern.
Kim Jong Il entgegnete:
„Ich bin hierher gekommen, um die Bergarbeiter, die im Stollen arbeiten, zu sehen.“
Nebel von Panmunjom
Eines Tages im November 1996 inspizierte Kim Jong Il in aller Frühe Panmunjom, das auf der militärischen Demarkationslinie liegt, die die Koreanische Halbinsel in Nord und Süd teilt.
Sein Besuch dieser Ortschaft in einer Situation, in der seit dem Koreakrieg in den 1950er Jahren die militärische Konfrontation zwischen der DVRK und den USA fortdauert und die US- und die südkoreanische Armee auf dieser genannten Linie allzeit militärische Provokationen verüben, ging zu sehr über alle Vorstellungskraft hinaus.
Als er und seine Begleitung sich Panmunjom näherten, begann dort einzigartig dichter Nebel aufzuziehen.
Er besichtigte in Panmunjom verschiedene Orte, auf die die Mündungen der Schusswaffen der Feinde gerichtet waren, und begab sich bis 20–30 m vor gegnerische Wachtposten. In den langen Stunden seines Aufenthalts verzog sich der Nebel nicht im Geringsten, verhüllte hingegen jeden seiner Schritte wie ein Schutzgott.
Und dieser Nebel verschwand spurlos, sobald er die Inspektion von Panmunjom beendet hatte und die Rückreise antrat.
Die Spitzen der US- und der südkoreanischen Armee, die erst später von dieser Tatsache erfuhren, waren über alle Maßen entsetzt.
Der frühere Chefsekretär der „UNO-Truppen“-Seite der Militärischen Waffenstillstandskommission gestand den Vertretern der Seite der KVA wie folgt:
Als die Meldung darüber kam, dass Ihr Oberster Befehlshaber am vergangenen 27. November frühmorgens Panmunjom aufsuchte, rief unser Befehlshaber (Befehlshaber der in Südkorea stationierten 8. US-Armee) mich zu sich und zog mich zur Rechenschaft, warum ich über diese Tatsache nicht Bescheid wusste, zumal ich an jenem Tag in Panmunjom war.
Als ich darauf die Antwort gab, dass wegen des dichten Nebels an jenem Tag nichts zu sehen war, setzte er mir nicht weiter zu, womöglich hatte er auch nichts zu sagen.
Der Oberste Befehlshaber Kim Jong Il hatte anscheinend anhand von taoistischer Zauberkunst Nebel aufziehen lassen. Fürwahr maßlos geheimnisvoll.
Vergiss die gefallenen Patrioten nicht!
Eines Tages im September 1998 suchte Kim Jong Il im Anschluss an die Inspektion einer weit entfernt liegenden Front den Ehrenhain der Patrioten auf, der in einem Vorort Pyongyangs liegt.
Er sah sich die Steindruckfotos der Reihe nach an und sagte voller Zufriedenheit: „Wenn ich hierher komme, treffe ich alle unvergesslichen Menschen! Sie scheinen alle noch am Leben zu sein. Die lithografischen Fotos sind bestens angefertigt.“
Sehen wir heute die Gesichter aller Märtyrer an, selbst wenn dies viel Zeit in Anspruch nimmt, sagte er und suchte die Gräber der Märtyrer auf.
Vor dem Steindruckbild eines Patrioten erinnerte er sich daran, dass dieser Genosse zur Festigung und Weiterentwicklung unserer revolutionären Streitmacht einen großen Beitrag geleistet habe, und vor dem lithografischen Foto eines anderen Patrioten würdigte er dessen große Verdienste um das Bauwesen des Landes, vor allem um den Aufbau der Hauptstadt. Er wendete lange nicht seinen Blick von den von uns gegangenen Funktionären, als ob er mit jedem von ihnen innerlich Gespräche führte.
Sie waren Genossen, die der Partei und Revolution unwandelbare Treue hielten. Beim Gedanken daran, dass sie in den besten Jahren zu früh von uns gegangen sind, blutet mir das Herz, sagte er mit tränenerstickter Stimme.
Seine Begleitung sah ihn voll Ehrerbietung an und schluckte heiße Tränen.
Während der Betrachtung vieler Steindruckfotos begann sich unbemerkt bereits der Abend über den Ehrenhain zu senken.
Aber Kim Jong Il kehrte nicht zurück. Nachdem er alle Gräber aufgesucht hatte, wofür man sogar das Scheinwerferlicht des Autos einschaltete, ging er den Ehrenhain hinunter, hielt inne und bemerkte mit bedauerndem Ton:
„Bei der heutigen Besichtigung des Ehrenhains der Patrioten musste ich feststellen, dass einige verdiente Personen fehlen. Wir sollten alle Patrioten, die sich für Partei und Führer zeitlebens aufgeopfert haben, in diesem Ehrenhain zur letzten Ruhe betten.“
Dann fügte er hinzu: Soundso und Soundso waren der Revolution bis zum Ende treuergebene Funktionäre, sie alle sind hier ruhen zu lassen. Ihre Porträts sind in Steindrucktechnik anzubringen. Und unsere Partei und unser Volk werden ihre Verdienste um die Vereinigung und Unabhängigkeit des Vaterlandes und den Aufbau des Sozialismus auf ewig nicht vergessen.
Kim Jong Il, vom Ehrenhain zurückgekehrt, war überaus damit zufrieden, dass der Ehrenhain durch das Anbringen der lithografischen Bilder von Märtyrern ein ganz neues Aussehen erlangt hatte, und fragte Funktionäre:
„Sie waren auch dort gewesen?“
Die Befragten erstarrten.
„Nein. Wir konnten leider tatsächlich keine Zeit finden…“
Da verfinsterte sich sein strahlendes Gesicht schlagartig.
Er sagte zu ihnen: Danach zu urteilen, dass Sie trotz des Wissens, dass auf dem Ehrenhain der Patrioten Steindruckbilder angebracht wurden, immer noch nicht den Ehrenhain aufgesucht haben, fehlt es Ihnen an revolutionärer Pflichttreue und Kameradschaft. Wir sollten die Patrioten, die im Kampf für die Befreiung des Vaterlandes, den Aufbau des Sozialismus und das Werk der Vereinigung des Landes ihr Leben lassen mussten, stets im Gedächtnis behalten.
Die koreanischen Revolutionäre sind wahre Menschen, denen die revolutionäre Pflichttreue wertvoller als das eigene Leben war. Auf der Grundlage dieser hehren moralischen Pflichttreue wurde unsere einmütige Geschlossenheit erreicht und die ruhmreiche Geschichte der koreanischen Revolution geschaffen. Weil die vom Präsidenten Kim Il Sung geschaffene Tradition der revolutionären Pflichttreue ihre glänzende Fortsetzung und Weiterentwicklung erfährt, ist unsere Partei stabil und unsere Revolution stets unbesiegbar…
Die Funktionäre hörten seine Worte und wussten weder ein noch aus.
Mit Blick auf sie fuhr er gütig fort:
„Besichtigen Sie alle den Ehrenhain der Patrioten. Wie sehr würden sich die Genossen freuen, die früh von uns gegangen sind, wenn Sie sie aufsuchten.“
Man muss immer vor allem an die Nation denken
An einem Maitag 1985 gab Kim Jong Il wertvolle Hinweise auf die 8. Rot-Kreuz-Verhandlungen zwischen dem Norden und dem Süden, die damals im Gang sind. Dabei sagte er, es sei notwendig, auf den Verhandlungen den gegenseitigen Besuch der Künstlerensembles und der Heimatbesuchergruppen zur Debatte zu stellen.
An jenem Tag sagte er, man müsse davor nicht zögern, das Gefühl der Liebe zu Landsleuten zu teilen und verwandtschaftliche Bande der Nation zu verknüpfen. Wir sollen immer vor allem an die Nation denken.
Auch am Tag, als unsere Rot-Kreuz-Künstler- und Heimatbesuchergruppe nach Seoul abfuhren, sagte er den Funktionären: wie freudig wäre es, wenn sich auf dem Boden des vereinigten Vaterlandes diese feierliche Veranstaltungen ereignen würden. Korea sollte so schnell wie möglich vereinigt werden, um freie Reiseverkehr zwischen Pyongyang und Seoul zu verwirklichen, das Gefühl der Blutsverwandten miteinander zu teilen und die getrennte Blutader der Nation wieder zu verbinden.
Jasows Erstaunen
Dmitri Jasow, einstiger Verteidigungsminister der Sowjetunion, war ein Vielwisser, der als „Militärlexikon“ bezeichnet wurde.
Einmal führte er mit seinem amerikanischen Amtskollegen Frank Carlussi ein Gespräch und setzte diesen in Erstaunen.
Während des Gesprächs kam der amerikanische Sezessionskrieg zur Sprache. Und Jasow analysierte ausführlich, welche Schlacht wie geliefert wurde, welcher General welche Rolle gespielt hatte und worin die taktische Stärke und Schwäche der beiden kriegführenden Seiten bestanden. Carlussi war geradewegs schockiert durch die Tatsache, dass Jasow über den Sezessionskrieg eingehender als er, US-Verteidigungsminister, Bescheid wusste, und drückte seine Bewunderung mit den Worten „Sie sind Militärlexikon!“ aus.
Jasow war sehr stolz darauf, dass die Menschen ihn „Militärlexikon“ nannten, und bildete sich viel darauf ein.
Er wurde eines Tages im Juli 1998 während seines Koreabesuches von Kim Jong Il empfangen.
Kim Jong Il suchte seine Unterkunft auf und fragte ihn freundlich:
„Ich freue mich, Sie zu sehen. Wie ist Ihr Befinden?“
„Verehrter Genosse Kim Jong Il! Ich sehnte mich wirklich danach, Sie zu treffen. Ich bin dank Ihrer Liebe und Fürsorge gesund, wie Sie sehen.“
Kim Jong Il lachte befriedigt hell auf, ließ sich mit ihm zum Andenken aufnehmen und ging zum Gesprächszimmer.
Er unterhielt sich nahezu fünf Stunden mit ihm, hauptsächlich über das Militärwesen.
Jasow staunte vom Anfang bis zum Ende des Gesprächs über seine umfassenden militärischen Kenntnisse.
Kim Jong Il war nicht nur über irgendeine Teilstreitkraft oder Waffengattung, sondern über alle Truppengattungen der Land-, See- und Luftstreitkräfte, die Spitzentechnik und Bewaffnung der modernen Militärwissenschaft vollkommen im Bilde und beherrschte darüber hinaus alle Bereiche des Militärwesens, von der Strategie und Taktik des modernen Krieges bis hin zu einzelnen Vorschriften und Methoden des Kampfes, aus dem Effeff.
Jasow war von dessen militärischer Intelligenz und Genialität über alle Maßen beeindruckt und angetan.
Tief bewegt sagte er zu Kim Jong Il:
„Ich habe heute so gut wie eine weitere Militärakademie absolviert. Ich bin von Ihrem breiten militärischen Scharfblick und umfassenden Wissen, verehrter Genosse Kim Jong Il, völlig erschlagen. Sie sind eine Kapazität nicht nur in der Politik, sondern auch im Militärwesen. Ich will Ihr Schüler werden.“
Tränen Deng Yingchaos
Es ereignete sich im Juni 1983, als Kim Jong Il während seines Besuches in China das Haus Deng Yingchaos, der Frau Zhou Enlais und Präsidentin des Nationalkomitees der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, aufsuchte.
Als er sich mit den Worten, er möchte ihr Grußworte sagen, voller Respekt vor der Veteranin der Revolution vom Platz erhob, stand sie hastig auf, nahm seine beiden Hände und bat ihn wiederholt darum, im Sitzen zu sprechen.
Als er sich dennoch nicht setzen wollte, sagte die Veteranin, sie werde auch stehen bleiben, und erhob sich vom Platz.
Er bat sie seinerseits darum, Platz zu nehmen.
Auf die wiederholte Bitte der Gastgeberin hin setzte er sich schließlich und sagte:
„Als ich nach China aufbrach, hieß Präsident Kim Il Sung mich Ihnen seinen herzlichen Gruß ausrichten und nach Ihrem Befinden fragen.
Er sagte, dass Sie nun in hohem Alter seien, und machte sich große Sorgen um Ihre Gesundheit.“
Ihr liefen heiße Tränen über die Wangen.
Als sie vor vier Jahren Korea besucht hatte, hatte Kim Il Sung auf dem Flughafen sie herzlich empfangen.
Er gab für sie ein festliches Bankett, brachte persönlich einen Toast aus, fuhr mit ihr nach Hamhung und nahm an der Einweihung der Bronzestatue von Zhou Enlai und des Denkmals teil, die im Vereinigten Düngemittelwerk Hungnam errichtet worden waren.
Seinerzeit hatte sie, in maßloser Freude und Begeisterung darüber, das Antlitz Zhou Enlais, ihres engsten revolutionären Genossen und Kampfgefährten, wiederzusehen, dem Präsidenten Kim Il Sung abermals von ganzem Herzen Dank ausgesprochen.
Kim Jong Il wandte sich mit den Worten, Genosse Zhou Enlai wäre ein großer Revolutionär, an Deng Yingchao, die ihre überwältigende Ergriffenheit kaum zurückzuhalten vermochte, und sagte mit Wärme, dass er für die koreanisch-chinesische Freundschaft Großes geleistet habe.
„Ich freue mich überaus darüber, dass Genosse Kim Il Sung, der große Führer des koreanischen Volkes und engster Freund des chinesischen Volkes, die persönliche Bekanntschaft, die er mit dem Genossen Zhou Enlai angeknüpft hatte, nicht vergisst und mir tiefe Aufmerksamkeit schenkt. Ich werde die herzlichen Worte, die Sie, Genosse Kim Jong Il, soeben an mich richteten, auf ewig im Gedächtnis bewahren.“ So sagte sie, wobei ihr Tränen über ihre Wangen rannen.
Es war eine dermaßen bewegende Szene, dass der Dolmetscher der chinesischen Seite, der ihre Worte zu übersetzen hatte, ebenfalls schluchzte und seiner Rolle kaum nachkam. So sah sich der Dolmetscher der koreanischen Seite schließlich veranlasst, ihre Ausführung zu dolmetschen.
Nun war Zeit zum Abschied.
Die Veteranin sagte, sie könne sich doch nicht vor der Tür von dem hohen Ehrengast, der ihr Haus aufgesucht hatte, verabschieden, und folgte ihm trotz seiner wiederholten Abwehr bis in den Hof.
Beim Abschied sagte sie inständig zu ihm, seine Hände fest ergreifend:
„Ihr Besuch unseres Hauses, Genosse Kim Jong Il, ist das glücklichste Ereignis. Ich wünsche, dass Sie künftig häufiger kommen.“
Sie stand, mit der Hand winkend, lange auf der Stelle, bis das Auto, in dem er saß, außer Sichtweite war.
Naenara, Dez. 2014