Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Noch ein Interview. Kindergärten, Privatwirtschaft, Lebensmittel usw.
#1
So ich hab noch ein Interview im russischen Web gefunden.
Diesmal mit einer jungen Frau aus dem Norden der KDVR.
Es geht um Kindergärten, Ernährung, kapitalistische Schattenwirtschaft und vieles mehr.
Sie sricht auch über ihren Vater, der an der Uni unterrichtet und anscheinend zweifel hat
Auch geht es um Zigarettenhandel und Markenfäschungen ( Marlboro-Kopien) um den Hunger in den 90ern.


Vielleicht hat Balkonskij ja wieder Lust ?

Ansonsten müssen wir mit den Online-Übersetztern und meinem Halbrussisch leben

also:
http://slon.ru/world/otkrovennyy_razgovo...6540.xhtml
Es kann sein, daß da ne Werbung vorgeschaltet ist- dann bitte abschalten
Zitieren
#2
Tja, dann leg ich wohl mal los Rolleyes

Zitat:Er schreibt, dass er vor einiger Zeit ein Interview mit einem nordkoreanischen Geschäftsmann veröffentlichte habe (nachzulesen an anderer Stelle im Forum). Er habe sich mit ihm in Seoul getroffen, dank Vermittlung eines Landsmann. Er schreibt, dass viele bis zu diesem Interview (so auch er selbst) nicht vermuteten, dass unter dem kommunistischen Mantel seit langer Zeit in Nordkorea ein Kapitalismus existiert und das nahezu die gesamte Bevölkerung des Landes im halboffiziellen Privatsektor tätig sei. Es habe so wenig zur gewöhnlichen Darstellung Nordkoreas gepasst, dass einige Leser die Informationen seines Gesprächspartners anzweifelten. Aber er (der Journalist) glaube ihm und hatte einige Tage nach dem Gespräch mit dem Geschäftsmann die Gelegenheit mit "Li" zu sprechen, einer jungen Frau aus einer anderen Provinzstadt der DPRK, die vor zwei Jahren über China nach Südkorea kam. Sie stammt aus einer angesehenen Famile, der Vater unterrichtet 'Parteidisziplin' an der örtlichen Hochschule, die Mutter ist Hausfrau und sie Pädagogin - und führte eine illegale Zigarettenmanufaktur.

Er fragt sie zu Beginn, ob sie denn Russisch könne. Woraufhin sie antwortet "Здравствуйте, раз, два, три, четыре, да здравствует великий вождь" (für Ex-DDR Schüler mit Russisch lasse ich es im Original, zum Schmunzeln Big Grin) Sie erzählt, dass sie in der Englischklasse gewesen sei. Bei ihr gab es zwei Klassen mit Russisch und zwei mit Englisch. Aber das sei vor langer Zeit gewesen, als sie noch zur Schule ging, in den frühen 90er Jahren. Heute werde fast kein Russisch mehr an den Schulen unterrichtet. So gegen '97-'98 seien die Russischklassen aufgelöst worden und alle würden nun Englisch als Fremdsprache lernen.

Wie viele Schüler sie pro Klasse gewesen sein? Zu jener Zeit ziemlich viele - 40 bis 50 Personen. Jetzt seien es weniger, so 35-40 Schüler.

Ob ihre Mutter gearbeitet habe? Nein, sie sei Hausfrau gewesen, aber öffentlich engagiert. Sie sei die Anführerin einer Gruppe gewesen, in der sich die Hausfrauen in der Umgebung sammelten. Solche Gruppen entstünden nach territorialem Prinzip, immer so 20-40 Familien, wo dann gemeinsam Dinge organisiert oder Ideologieschulungen durchgeführt würden.

Ob sie für ihre Tätigkeit irgendeine Bezahlung o. ä. erhalten habe, will der Journalist wissen. Dies verneint sie und sagt, dass die Anführer solcher Gruppen prinzipiell keinen Lohn erhalten hätten. Und auch bei den Bezugsscheinen erhielt ihre Mutter genauso viel wie alle anderen Hausfrauen. Gegen Anfang der 90er Jahre sei dann diskutiert worden, ob man sie nicht bezahlen solle. Ab 1992 erhielt sie dann 30 Won. Das sei aber sinnfrei gewesen, da das Durchschnittseinkommen bereits 700-1000 Won betragen habe und man sich für die 30 Won nichts habe leisten können.

Und was habe sie dort zum Beispiel machen müssen in ihrer Tätigkeit, will der Russe wissen? Die Nordkoreanerin antwortet, dass beispielsweise morgens die Hausfrauen zu Bauarbeiten gehen sollten und es die Aufgabe der Anführerin gewesen sei dafür zu sorgen, dass die gesamte Gruppe zur Arbeit ginge. Und sie erhielt die Anweisungen, z. B. für Reparaturen so und so viele Personen dorthin zu schicken. Oder für den Straßenbau. Viele wollen aber natürlich nicht gehen. Das ist der am meisten verbreitete Verstoss. Daraufhin muss die Anführerin dies bei der Polizei oder der örtlichen Verwaltung melden. Es ist eine sehr unangenehme Arbeit, weil sie die Beziehung zu den Mitmenschen schädigt. Aber ihre Mutter sei idealistisch gewesen, sie bewunderte Kim Il Sung und Kim Jong-Il, daher strengte sie sich sehr an.

Ob sie sich denn jetzt noch so anstrengen würde? Nein, jetzt bemühe sie sich nicht mehr. Wann das passiert sei, will der Journalist wissen. Die Mutter habe sich 30 Jahre bemüht der Partei beitreten zu dürfen, aber auch nach 35 Jahren wollte man sie nicht aufnehmen. Ihre Schwester setzte sich dann nach China ab und ihre Mutter wurde daraufhin von ihrem Posten entfernt. Das sei für sie eine sehr große Enttäuschung gewesen. Sie habe ihren Enthusiasmus verloren.

Der Journalist lenkt daraufhin das Gespräch auf die Person Li und will wissen, wann sie im Kindergarten gearbeitet habe? Zwischen 2000 und 2005. Ob alle Kinder in den Kindergarten gehen würde? Ja, natürlich, dass sei Teil der Schulpflicht. Was man im Kindergarten lerne? Sprache, Rechnen, Lied und Tanz, Bewegungsspiele. Man unternehme Ausflüge in die Natur und drei Fächer würden unterrichtet: Erzählungen über die Jugend von Kim Il Sung, Erzählungen über die Jugend von Kim Jong Il und Erzählungen über die Jugend von Kim Jong Suk (die Frau Kim Il Sungs). Für jedes Fach gebe es jeweils einen Raum im Kindergarten mit Fotografien und Porträts. Im Zentrum jedes Zimmers ein Modell zum Ort, an dem der jeweilige große Mensch seine Kindheit verbrachte. Jedes der Fächer sei einmal pro Woche unterrichtet worden.

Diese Modelle im Zimmerinneren würden nicht zentral geliefert, sondern von den Erzieherinnen selbst angefertigt. Die Nordkoreanerin erzählt, wie sie alles hergerichtet habe, damit es hübsch aussehe.

Ob die Kinder im Kindergarten eine Mahlzeit erhielten, will der Russe wissen. Die Kinder sollen von zu Hause etwas mitbringen, antwortet Li. Sie hätten versucht eine Mahlzeit zu organisieren, aber es gelang ihnen nur 1-2 mal im Monat - wenn sie Lebensmittel gestellt bekamen. Gab es keine, habe man nichts tun können. Als sie selbst in den 80ern in den Kindergarten gegangen sei, habe man sie dort versorgt. Als sie Erzieherin geworden war, sei dies aber bereits nicht mehr so gewesen.

Was die Kinder von zu Hause mitgebracht hätten an Essen, ob das sehr unterschiedlich gewesen sei? Ja, sehr unterschiedlich betont die Erzieherin. Es habe Kinder gegeben, die gar nichts mitbrachten. Die sandte sie heim. "Geh nach Hause, iss etwas". Aber auch mit den übrigen Kindern habe es Probleme gegeben. Einige brachten nur gekochten Mais mit - andere hatten sogar Fleisch dabei. Und alle sahen es natürlich. Die Kinder gruppierten sich selbständig nach dem Wohlstand der Eltern. Ernsthafte Konflike habe sie nicht bemerkt. Sie seien noch sehr klein. Solche Konflikte kämen erst mit der Grundschule oder besonders in der Mittelschule auf.

Welche Kinder zählten zu den Reichen? Allen voran jene der Beamten, der lokalen Verwaltung. Sie unterschieden sich durch die Kleidung und es war zu bemerken, dass die Lehrer ihnen besondere Aufmerksamkeit schenkten.

Ob die Eltern den Lehrern denn in der Schule und im Kindergarten Geld zustecken würden, will der Journalist wissen. Ja natürlich. Ohne dies hätte sie nicht selbständig ohne Hilfe der Eltern überleben können. Die Bezahlung liege bei ca. 2000 Won / Monat. Dies sei der Preis von etwa einem kg Reis auf dem Markt. Einige der Eltern gaben Geld, aber meist brachten sie uns andere Dinge: Kleidung, Gemüse aus eigenem Anbau und natürlich Lebensmittel: Reis, Mais und wenn jemand keine Uhr hatte, dann eine Uhr. Oder wenn man eine Sehschwäche hatte und keine Brille bekam, halfen sie.

Sie erzählt weiter, dass durch diesen direkten Kontakt einfache Erzieher und Lehrer manchmal mehr verdienten als der Direktor einer Schule. Allerdings würden die noch auf andere Weise ihren Verdient aufbessern können, beispielsweise wenn der Vorsitzende einer Kolchose anrufe und darum bitte, Schüler auf die Felder zur Arbeit zu senden. Und der Direktor entsendet die Kinder, woraufhin er zum Dank Geld oder Lebensmittel erhält.

Wie viele Tage die Kinder auf den Feldern arbeiten würden, fragt der Journalist nach? Im Herbst praktisch jeden Tag gegen Ende der 90er Jahre. Sie hätten eine 6-Tage Arbeitswoche gehabt und im Herbst sei praktisch nicht gelernt worden. Sogar an Wochenende habe man gearbeitet. Zwei Wochenenden im Monat seien frei gewesen. Und man habe wirklich den ganzen Tag gearbeitet. Die Lerninhalte hätten dann selbst erlernt werden müssen, sie hätten Hausaufgaben gegeben und gesagt "lernt dies, dies und dies". Dies sei Ende 90er und Anfang 2000er Jahre so gewesen. Im Frühling sei man zur Aussaat von Reis gesandt worden, im Herbst zur Maisernte, Reiseernte, Gemüseernte. Die älteren Klassen seien praktisch unbezahlte Erntearbeiter gewesen. Man habe ab der dritten Klasse begonnen und je älter, desto mehr sei gearbeitet worden.

Und die Studenten, will der Russe wissen. Die natürlich auch, ebenso wie Soldaten. In den Universitäten sei das immerhin offiziell. Im Frühling und im Herbst sei ein freier Monat im Lehrplan für Reissaat (Frühling) und Reisernte / Maisernte (Herbst) eingeplant.

Ob nur Kolchosen Schüler anfordern würden, fragt der Russe. Oder ob auch der Direktor eines Werkes anrufen könne und um Hilfe zur Planerfüllung bitte?

Nein, wie denn Studenten in den Werken hätten helfen sollen? fragt Li. Außerdem, als sie in den 90ern Studentin gewesen sei, seien die Werke schon stillgelegt gewesen.

Der Journalist lenkt das Gespräch nun auf den Vater über. Was dieser denn an der Hochschule lehre? "Geschichte der Revolution des großen Führers Genosse Kim Il Sung" und "Geschichte der Aggression des amerikanischen und japanischen Imperialismus gegen Korea". Unter Kim Il Sung sei diese Position ihres Vaters eine gute, respektierte gewesen. Ebenso wie z. b. Arzt, Parteigenosse oder Mitglied der Sicherheitsorgane. Außerdem sei es in der Zeit am besten gewesen zu den Leuten des "Paek-Tu-San" (richtig transkribiert?) zu zählen - also zu jenen mit Verbindugen zur Partisanenbewegung. Also die Familien und Nachkommen jener, die beim Widerstand teilnahmen. Nicht nur die Mitstreiter, sondern auch ihre Kinder und Enkel seien priviligiert gewesen, hätten auf gute Hochschulen gehen und Ämter erreichen können.

Dann sei das Bezugsscheinsystem zusammengebrochen, Kim Il Sung verstorben und es begann die Epoche Kim Jong Ils. Ab etwa 1996 hätten die Leute zu hungern und zu sterben begonnen, erzählt Li. Ab dann lebten Leute mit Verwandten im Ausland, besonders aus Japan, gut. Da die alten Priviligierten Paek-Tu-San bezeichnet wurden, nannte man die neuen Priviligerten "Fujijamas". Danach begann die Zeit der "Jongmansan" (die Berge in denen die Universität Kim Il Sung steht und wo Kim Jong Il lernte), ehemalige Schulkameraden von Kim Jong Il und überhaupt Absolventen dieser Universität. Bei ihr zu Hause in den nördlichen Regionen zudem noch jene, die Verwandtschaft in China besaßen und die Geld sandten. Und dann gab es noch die Leute, wie sie selbst, die nach Südkorea gingen und ihren Verwandten von dort aus halfen. Aber von denen gebe es wenig.

Der Russe hakt nach und fragt, welche Stimmung denn so allgemein an der Universität herrsche - Nostalgie nach der Zeit von Kim Il Sung oder eher eine kritische Stimmung gegenüber der Staatsführung? Allgemein wünsche man sich Veränderung. Es kommt vor, dass man den Zeiten Kim Il Sungs hinterhertrauert, aber gleichzeitig wolle man auch nicht wieder zurück.

Ob man über Politik diskutiere und über die Machthaber, fragt der Journalist. Unter Kim Il Sung sei das absolut sinnlos gewesen, überhaupt über Politik zu reden. Jetzt diskutiere man ein klein wenig darüber, aber mit großer Vorsicht. Ihr Vater habe zu Hause immer gesagt, Kim Jong Il sei kein Vergleich zu Kim Il Sung! Ihre Mutter bremste ihn dann und sagte "Du zeigst den Kindern gegenüber ein schlechtes Verhalten, bringst ihnen gefährliche Dinge bei". Als sie Jugendliche gewesen sei, habe sie ihren Vater ganz offen gefragt: "Nun, wer ist besser, Kim Il Sung oder Kim Jong Il?". Er sagte darauf: "Der Vergleich ist lustig. Kim Il Sung natürlich". Die Mehrheit erinnere sich Kim Il Sungs mit Achtung und Respekt, die Beziehung zu Kim Jong Il sei hingegen wesentlich schlechter.

Ob man auch darüber diskutiere, dass die Errichtung des Landes ein Fehler gewesen sei? Es komme jetzt vor, dass man darüber spreche. Und sogar ausspreche, dass der Sozialismus ein Fehler sei.

Wie denn heute Studenten auf ihren Vater blicken würden, einem Lehrer für Ideologische Disziplin, will der Russe wissen. In der UdSSR habe man solche Leute gegen Ende einfach nicht mehr Ernst genommen. Ja, so sei es in Nordkorea auch, sagt Li.

Was der Vater darüber denken würde, fragt der Journalist. Das sei schwer zu sagen, meint die Nordkoreanerin. Sie habe darüber nicht viel mit ihm gesprochen. Er habe sein ganzes Leben der Sache gewidmet, es sei schwer danach zu sagen "Ich habe das ganze Leben den Studenten und Kindern die Unwahrheit erzählt". Das sei ein psychologisches Trauma.

Halbzeit. Der Rest kommt morgen.
Zitieren
#3
Danke für deine Übersetzung. War sicher eine große Mühe schon bis hierher.

Interessant, wie sehr es doch dort bröckelt und die Leute sich verbiegen müssen um nicht aufzufallen. Sehr befremdlich.

Zitieren
#4
Hallo Balkonskij. Vielen Dank dafür!!
Zitieren
#5
Oh Danke- Balkonskij.
Ich hatte gehofft, daß Du das übersetzt.
Nochmals Danke.Smile
Das Interview paßt zu meinen Erfahrungen aus der DDR.
Wobei ich wieder feststelle , daß es bei uns nicht so extrem war.

Und- bevor hier wieder der Aufschrei wegen Volksbeleidigung kommt:
So ein Interview ist absolut keine Kritik an den vielen Millionen Menschen, die sich in der KDVR bemühen, ein normales Leben zu führen.
Im Gegenteil, es zeigt, welche Kraft, welche Findigkeit die Menschen dort haben, die trotz schlechter Begleitumstände alles versuchen ihren Kindern das Beste zu geben.

Wir können uns warm anziehen, wenn Nordkorea erst einmal Bedingungen hat, unter denen die Menschen sich entfalten können.
Irgendwann in den nächsten zehn Jahren kaufen wir vielleicht nordkoreanische Tablet-PC, Container-Schiffe, Kameras und Kleinbagger.
Die Chinesen machen uns das schon lange vor.

Dummerweise wird es nach solchen langen und starken Stagnationen und wirtschaftlichen Mißständen mit anschießender "Wende" Phasen der Unsicherheit und des Zusammenbruches geben.
Russland hat das erlebt und die DDR-Restbetriebe der 90er ja auch.
Da hilft nur- helfen- spenden- und Augen zu und durch- es wird nach ca 2-5 Jahren schon besser.



Ha- und dann fliege ich mal zum Urlaub dorthin.












Zitieren
#6
Danke für deine Bemühungen Balkonskij!

Es ist zwar etwas traurig, aber die Berichte über Schüler die den Lehrer zahlen, oder eigenes Essen mitbringen, etc. ist auch oft in den Zeugenberichten von Flüchtlingen zu lesen ... Zum Teil, werden Schüler die nichts zahlen können auch von Mitschülern fertig gemacht deswegen.

Das "schmieren" von Lehrern wird aber auch in Vietnam zum bsp. praktiziert. "Abschluß ohne Lernen" :-o

Zitieren
#7
Schade keine Meinung von Juche oder dprk.
hm....
Zitieren
#8
Das Schmieren von Lehrern ist weltweit offenbar weiter verbreitet als das Nicht-Schmieren. In allen ehemaligen Sowjetrepubliken war und ist es verbreitet. Subjektiv wird es besser, aber nachwievor ist es z. B. möglich sein Studium ohne Eigenleistung gegen Geschenke zu beenden. Ich kannte allerdings auch einen Lehrer persönlich, der sich nicht bestechen ließ und lieber arm sterben wollte (ist er auch). Ich weiß noch, wie sich eine seiner Studentinnen echauffierte, weil der Lehrer ihr Geschenk nicht annehmen wollte. "Der hat ja alles, der braucht ja nichts". Da ist also nicht unbedingt ein Unrechtsbewusstsein vorhanden, wie man es z. B. in Deutschland hätte. Sie fühlte sich ungerechnet behandelt, weil er ihre Geschenke nicht annehmen wollte. Ich glaube, diese Mentalität kann man im Westen schwer nachvollziehen.

Nun werde ich mich an den zweiten Teil begeben...
Zitieren
#9
Hallo Balkonskij-
Oh - Du übersetzt weiter?
Laß Dich bitte nicht stören.

Ich habe relativ gute Erinnerungen wegen Schule.
Jedenfalls kann ich nicht sagen, daß in meiner Schulzeit Lehrer geschmiert wurden.
Oder ich habe es nicht bemerkt.
Grins- meine Mama brauchte das in Richtung Schule auch nicht-Klassenbester Junge (Schande über mich)

Aber Tausch und Bestechung waren notwendig. Ich sehe das wie Du.
Sowohl für ne Wohnung, als auch für gute Schallplatten, Jeans, Baustoffe und Ersatzteile.
Und Urlaub bei der Armee klappte auch besser dann.

Was wohl die Studentin dem armen Lehrer angeboten hat?
:-)






Zitieren
#10
Zitat:Der Russe fragt, wie denn das Leben einer Lehrerfamilie so aussehe. Ob es einen Fernseher gebe? Darauf antwortet Li, dass sie bis 1997 keinen Fernseher hatten. '97 seien dann Verwandte aus China zu Besuch gekommen und hätten einen Farbfernseher als Geschenk mitgebracht. Einen Fernseher kaufen wäre aber auch kein Problem gewesen, sofern man das Geld habe. Sie hätten es leider nicht gehabt. Vor zwei Jahren, als sie wegfuhr, kostete ein Farbfernseher ca. 30.000 Won (ungefähr 100 Dollar). Aber das sei natürlich viel mehr als der offizielle Lohn eines Jeden.

Und wie man ihn sich dann erarbeiten könne, fragt der Journalist. Li antwortet, durch eine private Unternehmung - Handel, Produktion oder Handwerk. Von den staatlichen Löhnen lebe schon lange niemand mehr.

Dies bedeute, so der Russe, dass ihre Familie auch vom Einkommen im Privatsektor lebe? Ja, die Eltern würden auf dem Grundstück Bohnen und Mais anbauen. Aus den Bohnen würden sie dann die Masse für Tofu herstellen.

Und sie, Li, habe zu Hause Zigaretten hergestellt. Sie habe Tabak von Bauern gekauft, ihn geschnitten, Honig hinzugegeben, Gräser für das Aroma, Wasser hinzugegeben und es getrocknet. Danach packte sie es in Papier, welches sie von den Arbeitern aus dem örtlichen Zigarettenwerk hatte, aber es war auch möglich, importiertes Papier aus China zu kaufen. Dies sei qualitativ besser gewesen. Ebenso die Filter. Sie habe das passende Equipment zu Hause gehabt und sogar Mädchen angeheuert, welche die Zigaretten drehten. Dies habe sie fünf Jahre betrieben mit sechs Mädchen. Eine von denen habe direkt bei ihr zu Hause gearbeitet, die anderen hätten das Material mitgenommen. Das Verpacken habe sie dann übernommen. Danach seien die Zigaretten an einen Großhändler gegangen, der sie an die Bevölkerung in ländlichen Gebieten verkaufte.

Ob sie die Zigaretten in den Verpackungen bekannter Marken geliefert hätten? Na klar, Marlboro und chinesische Marken. Je nachdem was für Packungen sie kaufen konnten. In Nordkorea selbst gebe es Leute, die solche Verpackungen herstellten. Diese sähen dem Original verblüffend ähnlich.

Wie groß denn der Umfang der Produktion gewesen sei? So etwa 800 Packungen am Tag an guten Tagen. Was das dann pro Monat an Verdienst eingebracht habe? So ungefähr 200 000 Won habe sie damit pro Monat verdient, ca. 25-30000 Won am Tag. Das seien knapp 700 Dollar.

Daraufhin merkt der Russe an: "Ganz schön reiches Mädchen waren Sie", sie antwortet "Ja".

Ob das denn mit den Behörden gut gegangen sei, will der Journalist wissen. Die habe man natürlich Bezahlen müssen. Denn es sei natürlich formell von A bis O ungesetzlich. Darum habe sie den zuständigen Beamten fortwährend gut "gefüttert".

Ob sie stolz darauf sei, dass es ihr gelang, so eine Produktion zu organisieren? Natürlich, sie sei "CEO" gewesen. Und ehe sie mit den Zigaretten anfing, habe sie lange Zeit Eier, Pfeffer und allgemein Zutaten gehandelt. Sie habe Eier und Pfeffer von der Zone No. 22 für Polit-Häftlinge gekauft. Dort hätten sie ausgezeichneten Pfeffer und Eier produziert. Zwar wären sie nicht auf das Territorium selbst gelangt, aber sie hätten von den Familien der Wachmänner und der Lagerverwaltung gekauft. Diese sei etwas in der Art einer Zwischenhandelsfirma gewesen. Das sei alles von der Verwaltung organisiert, vermutlich deren Business. Aber man müsse anerkennen, dass die Qualität der Produkte sehr gut war.

Sie habe die Waren dann nicht bei sich verkauft, sondern auf dem Markt einer großen angrenzenden Hafenstadt (der größten Stadt im Umkreis) verkauft. Dort seien die Preise für die hervorragende Ware gut gewesen. Und weil da das Meer gewesen sei und sie nicht leer nach Hause fahren wollte, habe sie z. B. Tintenfisch gekauft und dann bei ihr zu Hause auf dem Markt angeboten.

Wie sich die Eltern dazu verhalten hätten, will der Journalist wissen. Die seien zufrieden gewesen, denn sie habe ihnen geholfen. Bis sie damit anfing, habe man gehungert. Aber als sie das Geschäft aufgebaut hatte, wurde ihre Familie zu einer der reichsten Familien der Stadt.

Wann denn der Hunger im Land aufgehört habe, will der Russe wissen? Das sei in ihrer Gegend so um das Jahr 2002 gewesen. Allerdings habe er nicht vollständig aufgehört, es gebe vereinzelt immer noch Leute, die hungern und hin und wieder versterben. Aber das sei natürlich gar kein Vergleich mit den 90er Jahren. Generell - wenn man jung und gesund sei, dann wäre da keine Gefahr. Und am Wichtigsten, in Nordkorea gebe es nun eine Immunität dagegen. Als die Regierung plötzlich aufhörte Lebensmittel gegen Bezugscheine herauszugeben, da habe man nicht gewusst, was man tun solle. Aber jetzt wisse man, wie man selbständig leben könne.

Zu Abschluss befragt sie der Russe, ob sie Probleme mit der Gewöhnung an das kapitalistische Südkorea gehabt habe. Darauf entgegnet Li, sie sei in einer Situation aufgewachsen, in der alles vorherbestimmt gewesen sei. Man sagte ihr wohin und wann sie wo hingehen, was sie tun solle und in welcher Reihenfolge. Als sie nach Südkorea kam, habe sie sich bewusst gemacht, dass sie ja nun alles tun könne, was sie entscheide. Das habe Gewöhnungszeit benötigt. Die Kleidung, die sie sich nach der Ankunft zusammengekauft habe, ziehe sie heute beispielsweise nicht mehr an und könne nur noch darüber lachen, dass sie diese mal ausgewählt hatte.

Ich hoffe, es wird dadurch nun verständlicher und es war interessant zu lesen. Ich glaube, es ist interessant den Text einfach etwas auf sich "wirken" zu lassen.
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 3 Gast/Gäste