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Wiedervereinigung wirklich gewuenscht?
#3
Erstmal guten Tag an alle, ich bin der Neuling. Als "Leser" habe ich mich deshalb angemeldet, weil ich seit längerem von Zeit zu Zeit dieses Forum gelesen habe, sowohl aus Interesse am nordkoreanischen Staat als auch aus Faszination über die unterschiedlichen Weltanschauungen der Forumsmitglieder.

Das Thema Wiedervereinigung wurde hier im Forum bereits in vielen Threads diskutiert und ich war immer verwundert, wie selbstverständlich einigen der Wunsch nach Wiedervereinigung erschien. Tatsächlich wird die Vereinigung ja auch in den beiden Koreas in quasi sinuskurvenförmiger Vehemenz thematisiert, wirklich nähergekommen ist man diesem möglichen Ziel bisher jedoch kaum.

Ist die Wiedervereinigung also wirklich ein Ziel und, wenn ja, für wen?

Nordkorea und dessen Führungszirkel samt allen Mitläufern und Profiteuren kann dies nicht wünschen, da es dann mit der absoluten Herrschaft vorbei wäre- also geht eine Vereinigung nur unter dem Vorzeichen des Machterhaltes der kommunistischen Partei und des ganzen Systems. Ob die Nordkoreanre jetzt dieses System abwählen würden? Ich weiss es nicht, glaube es aber auch nicht, da alle Menschen derart im System sozialisiert und verwurzelt sind, daß sie psychologisch wohl überwiegend einem grundsätzlichen Systemerhalt (bei allerdings gewünschter wirtschaftlicher Verbesserung) zustimmen würden.

Südkorea kann es nicht wünschen, da derzeit die Kosten schlicht nicht zu bezahlen wären. Die DDR war schon zutiefst marode und ist bis heute trotz aller Transfers nur auf ca. 75% der Wirtschaftsleistung des Westgebietes gekommen, wird also nach 20 Jahren noch subventioniert. Zwischen den Koreas ist der Ausgangsunterschied noch viel dramatischer, wenn man die derzeitige Wirtschaftsleistung und Infrastruktur betrachtet. Die im Artikel des italienischen Journalisten angesprochene Notwendigkeit von ca. 900 Milliarden Transferleistung aus dem Süden scheint mir nach den Erfahrungen der deutschen Wiedervereinigung noch sehr niedrig bemessen. Ich glaube nicht, daß Südkorea dies stemmen kann und will, obwohl sie wirtschaftlich inzwischen glänzend dastehen. Und warum sollten sie durch einen Systemwechsel im Rahmen einer Wiedervereinigung hin zu einem, wenn auch gemässigteren planwirtschaftlichen Kommunismus, ihren Wohlstand dauerhaft aufgeben, damit die Nordkoreaner weniger arm sind? Eine solche Haltung wäre doch weltfremd.

Die USA und China als quasi "Schutzmächte" der Länder würden einer Wiedervereinigung nur zu ihnen genehmen Vorzeichen zustimmen. In Korea konzentriert sich die Macht widerstreitender Interessen der beiden global Player. Die jeweiligen Einflußsphären würden nicht einfach geräumt, ebenso wenig wie zu Zeiten des Koreakrieges. Schon deshalb wird es keine Wiedervereinigung geben, solange in China die kommunistische Partei das alleinige sagen hat und die USA sich weiter als weltpolitischer Hüter von Freiheit begreifen, also sich USA und China nicht weiter angenähert haben.

Insofern stimme ich den Kernaussagen im oben zitierten Artikel zu. Eine schnelle Wiedervereinigung ist nur unter vollkommen weltfremden Annahmen möglich. Wenn sich allerdings Nordkorea etwas öffnet bzw. stärker in marktwirtschaftliche Notwendigkeiten investiert (man muss dazu ja nicht das System komplett umkrempeln, siehe China), wird im Zeitverlauf eine Vereinigung realistischer. Dazu gehört auch, Säbelrasseln und martialische Sprüche zurückzufahren. Ein guter Anfang ist z.B. die Wiederaufnahme der Gespräche zum Atomprogramm.

Letztlich: denkt hier jemand, man könne eine Wiedervereinigung durchführen, ohne nicht irgendwann Wahlen abzuhalten? Diese müssten sauber demokratisch und somit unanfechtbar sein, denn sonst könnte wegen fehlender Legitimation durch das koreansiche Volk jeder den Regierungsanspruch der neuen Führung in Frage stellen. Neue Konflikte wären dann vorprogrammiert, spätestens wenn dem demokratischen Machtblock auf der Welt das Ergebnis nicht gefällt und die Chinesen dagegenhalten. Und damit wäre ganz Korea ein größerer Krisenherd als in den letzten 58 Jahren.

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RE: Wiedervereinigung wirklich gewuenscht? - von Leser - 07.03.2012, 11:56

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