Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Noch ein Interview. Kindergärten, Privatwirtschaft, Lebensmittel usw.
#10
Zitat:Der Russe fragt, wie denn das Leben einer Lehrerfamilie so aussehe. Ob es einen Fernseher gebe? Darauf antwortet Li, dass sie bis 1997 keinen Fernseher hatten. '97 seien dann Verwandte aus China zu Besuch gekommen und hätten einen Farbfernseher als Geschenk mitgebracht. Einen Fernseher kaufen wäre aber auch kein Problem gewesen, sofern man das Geld habe. Sie hätten es leider nicht gehabt. Vor zwei Jahren, als sie wegfuhr, kostete ein Farbfernseher ca. 30.000 Won (ungefähr 100 Dollar). Aber das sei natürlich viel mehr als der offizielle Lohn eines Jeden.

Und wie man ihn sich dann erarbeiten könne, fragt der Journalist. Li antwortet, durch eine private Unternehmung - Handel, Produktion oder Handwerk. Von den staatlichen Löhnen lebe schon lange niemand mehr.

Dies bedeute, so der Russe, dass ihre Familie auch vom Einkommen im Privatsektor lebe? Ja, die Eltern würden auf dem Grundstück Bohnen und Mais anbauen. Aus den Bohnen würden sie dann die Masse für Tofu herstellen.

Und sie, Li, habe zu Hause Zigaretten hergestellt. Sie habe Tabak von Bauern gekauft, ihn geschnitten, Honig hinzugegeben, Gräser für das Aroma, Wasser hinzugegeben und es getrocknet. Danach packte sie es in Papier, welches sie von den Arbeitern aus dem örtlichen Zigarettenwerk hatte, aber es war auch möglich, importiertes Papier aus China zu kaufen. Dies sei qualitativ besser gewesen. Ebenso die Filter. Sie habe das passende Equipment zu Hause gehabt und sogar Mädchen angeheuert, welche die Zigaretten drehten. Dies habe sie fünf Jahre betrieben mit sechs Mädchen. Eine von denen habe direkt bei ihr zu Hause gearbeitet, die anderen hätten das Material mitgenommen. Das Verpacken habe sie dann übernommen. Danach seien die Zigaretten an einen Großhändler gegangen, der sie an die Bevölkerung in ländlichen Gebieten verkaufte.

Ob sie die Zigaretten in den Verpackungen bekannter Marken geliefert hätten? Na klar, Marlboro und chinesische Marken. Je nachdem was für Packungen sie kaufen konnten. In Nordkorea selbst gebe es Leute, die solche Verpackungen herstellten. Diese sähen dem Original verblüffend ähnlich.

Wie groß denn der Umfang der Produktion gewesen sei? So etwa 800 Packungen am Tag an guten Tagen. Was das dann pro Monat an Verdienst eingebracht habe? So ungefähr 200 000 Won habe sie damit pro Monat verdient, ca. 25-30000 Won am Tag. Das seien knapp 700 Dollar.

Daraufhin merkt der Russe an: "Ganz schön reiches Mädchen waren Sie", sie antwortet "Ja".

Ob das denn mit den Behörden gut gegangen sei, will der Journalist wissen. Die habe man natürlich Bezahlen müssen. Denn es sei natürlich formell von A bis O ungesetzlich. Darum habe sie den zuständigen Beamten fortwährend gut "gefüttert".

Ob sie stolz darauf sei, dass es ihr gelang, so eine Produktion zu organisieren? Natürlich, sie sei "CEO" gewesen. Und ehe sie mit den Zigaretten anfing, habe sie lange Zeit Eier, Pfeffer und allgemein Zutaten gehandelt. Sie habe Eier und Pfeffer von der Zone No. 22 für Polit-Häftlinge gekauft. Dort hätten sie ausgezeichneten Pfeffer und Eier produziert. Zwar wären sie nicht auf das Territorium selbst gelangt, aber sie hätten von den Familien der Wachmänner und der Lagerverwaltung gekauft. Diese sei etwas in der Art einer Zwischenhandelsfirma gewesen. Das sei alles von der Verwaltung organisiert, vermutlich deren Business. Aber man müsse anerkennen, dass die Qualität der Produkte sehr gut war.

Sie habe die Waren dann nicht bei sich verkauft, sondern auf dem Markt einer großen angrenzenden Hafenstadt (der größten Stadt im Umkreis) verkauft. Dort seien die Preise für die hervorragende Ware gut gewesen. Und weil da das Meer gewesen sei und sie nicht leer nach Hause fahren wollte, habe sie z. B. Tintenfisch gekauft und dann bei ihr zu Hause auf dem Markt angeboten.

Wie sich die Eltern dazu verhalten hätten, will der Journalist wissen. Die seien zufrieden gewesen, denn sie habe ihnen geholfen. Bis sie damit anfing, habe man gehungert. Aber als sie das Geschäft aufgebaut hatte, wurde ihre Familie zu einer der reichsten Familien der Stadt.

Wann denn der Hunger im Land aufgehört habe, will der Russe wissen? Das sei in ihrer Gegend so um das Jahr 2002 gewesen. Allerdings habe er nicht vollständig aufgehört, es gebe vereinzelt immer noch Leute, die hungern und hin und wieder versterben. Aber das sei natürlich gar kein Vergleich mit den 90er Jahren. Generell - wenn man jung und gesund sei, dann wäre da keine Gefahr. Und am Wichtigsten, in Nordkorea gebe es nun eine Immunität dagegen. Als die Regierung plötzlich aufhörte Lebensmittel gegen Bezugscheine herauszugeben, da habe man nicht gewusst, was man tun solle. Aber jetzt wisse man, wie man selbständig leben könne.

Zu Abschluss befragt sie der Russe, ob sie Probleme mit der Gewöhnung an das kapitalistische Südkorea gehabt habe. Darauf entgegnet Li, sie sei in einer Situation aufgewachsen, in der alles vorherbestimmt gewesen sei. Man sagte ihr wohin und wann sie wo hingehen, was sie tun solle und in welcher Reihenfolge. Als sie nach Südkorea kam, habe sie sich bewusst gemacht, dass sie ja nun alles tun könne, was sie entscheide. Das habe Gewöhnungszeit benötigt. Die Kleidung, die sie sich nach der Ankunft zusammengekauft habe, ziehe sie heute beispielsweise nicht mehr an und könne nur noch darüber lachen, dass sie diese mal ausgewählt hatte.

Ich hoffe, es wird dadurch nun verständlicher und es war interessant zu lesen. Ich glaube, es ist interessant den Text einfach etwas auf sich "wirken" zu lassen.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: Noch ein Interview. Kindergärten, Privatwirtschaft, Lebensmittel usw. - von Balkonskij - 01.03.2012, 20:05

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste